Gesundheitswelt der AOK Sachsen-Anhalt

ME/CFS

Eine etwa 40 Jahre alte Frau liegt erschöpft im bett. Ihre hand liegt auf ihrer Stirn

ME/CFS: Mehr als Müdigkeit und Erschöpfung

ME/CFS verändert das Leben grundlegend: Schon geringste Belastungen können tagelange Erschöpfung auslösen. Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung mit einem komplexen, eigenständigen Krankheitsbild. Betroffene leiden unter stark einschränkenden Symptomen wie extremer Erschöpfung, Schmerzen sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen. 
Wichtig ist: ME/CFS darf nicht mit dem allgemeinen Symptom „Fatigue“ verwechselt werden, wie es beispielsweise bei Krebs oder Autoimmunerkrankungen auftreten kann. Vielmehr ist es ein eigenständiges, reales Krankheitsbild, das nicht selten missverstanden und sogar von Ärzten übersehen wird. 

In Deutschland sind mehr als 650.000 Menschen betroffen, darunter auch viele Kinder und Jugendliche. Durch die Covid-19-Pandemie hat ME/CFS verstärkt Aufmerksamkeit erhalten. Dennoch bleibt vieles, trotz der Schwere der Erkrankung, unbekannt und unerforscht. In diesem Beitrag erfahren Sie, was ME/CFS bedeutet, welche aktuellen Erkenntnisse vorliegen und warum die Diagnose sowie die Behandlung so herausfordernd sind.

Wussten Sie schon, dass…

  • circa 650.000 Menschen in Deutschland an ME/CFS erkrankt sind?
  • am 12. Mai Internationaler CFS-Tag ist?
  • die AOK Sachsen-Anhalt Sie und Ihre Angehörigen bei allen Fragen zu Thema Pflege berät?

Was ist das Fatigue-Syndrom?

Das chronische Fatigue-Syndrom ist eine schwere, chronisch verlaufende Multisytemerkrankung. Sie befällt nicht nur ein Organ wie bei einer reinen Lungenentzündung, sondern beeinträchtigt mehrere Bereiche des Körpers gleichzeitig. Der Fachbegriff „ME“ (Myalgische Enzephalomyelitis) verweist stärker auf Muskelschwäche und Schmerzen, während „CFS“ (Chronisches Fatigue-Syndrom) die ausgeprägte Erschöpfung beschreibt. Die Erkrankung ist schon lange bekannt und wird seit 1969 durch die WHO als neurologische Erkrankung eingestuft. 

Häufig beginnt ME/CFS plötzlich, oft nach einer Virusinfektion wie Pfeifferschem Drüsenfieber, einer Grippe oder auch Covid-19. Der konkrete Auslöser ist bislang ungeklärt, jedoch gehen Fachleute davon aus, dass mehrere Organsysteme – insbesondere das Immun- und Nervensystem – gleichzeitig fehlgesteuert sind. ME/CFS kann in jedem Alter auftreten, Frauen erkranken jedoch etwa dreimal häufiger als Männer.

Hauptmerkmale von ME/CFS sind:

  • Es besteht eine tiefe, anhaltende Erschöpfung, die durch Schlaf oder Ausruhen nicht besser wird.
  • Es besteht eine Belastungsintoleranz. Der körperliche, geistige oder emotionale Gesundheitszustand verschlechtert sich nach geringfügiger Anstrengung.
  • Es treten weitere Begleitsymptome auf, die das Leben massiv einschränken. Dazu gehören Konzentrations-, Merk- und Wortfindungsstörungen (Brain Fog), Herzrasen, Schwindel, Benommenheit und Blutdruckschwankungen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen und eine Überempfindlichkeit auf Sinnesreize.

Wichtig: ME/CFS ist keine psychische, sondern eine körperliche Erkrankung und nicht mit Burnout oder einer Depression zu verwechseln.

Leitsymptom Post-Exertionelle Malaise (PEM)

älterer Mann liegt abgeschirmt von reizen im dunklen Schlafzimmer.

Das wichtigste Leitsymptom von ME/CFS ist die sogenannte Post-Exertionelle Malaise (PEM). Damit ist eine deutliche und anhaltende Verschlechterung aller Beschwerden nach schon sehr geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung gemeint. Typisch sind dann starke Schwäche, Muskelschmerzen, grippeähnliche Symptome und ein insgesamt deutlich verschlechterter Allgemeinzustand. 

Je nach Schweregrad kann schon allein ein kurzer Spaziergang, Duschen oder ein Gespräch PEM auslösen. Häufig treten die Beschwerden nicht sofort auf, sondern erst ein bis zwei Tage später. Bei Schwerstbetroffenen kann PEM allein durch das Umdrehen im Bett oder die Anwesenheit einer weiteren Person im Raum ausgelöst werden. 

Schweregrade und Alltagseinschränkungen

ME/CFS gehört zu den Erkrankungen mit der niedrigsten Lebensqualität überhaupt und bringt extreme Einschränkungen mit sich. Arbeiten oder ein Schulbesuch sind oft bereits bei Betroffenen mit einer moderaten Form der Erkrankung nicht mehr möglich. Etwa ein Viertel der Menschen mit ME/CFS kann das Haus kaum noch oder gar nicht mehr verlassen oder ist sogar bettlägerig. 

  • Milde Form

    Betroffene sind weitestgehend selbständig, allerdings fallen ihnen viele Aktivitäten deutlich schwerer als vorher.

  • Moderate Form

    Betroffene haben Schwierigkeiten, die Wohnung zu verlassen. Aktivitäten werden sehr mühsam und zwischendurch sind lange Erholungspausen nötig. Arbeiten oder zur Schule gehen ist meist nicht mehr möglich.

  • Schwere Form

    Einfache Alltagstätigkeiten wie Anziehen, Duschen oder Kochen sind starke Belastungen. Betroffene verbringen ihre Zeit tage- oder wochenlang vorwiegend liegend und können das Haus nicht mehr verlassen. Sie reagieren sehr sensibel gegenüber Licht und Geräuschen.

  • Sehr schwere Form

    Eine sehr schwere ME/CFS führt zu Pflegebedürftigkeit. Betroffene benötigen in jedem Lebensbereich Unterstützung. Sie sind extrem empfindlich gegenüber sensorischen Reizen und liegen oft in abgedunkelten Räumen. Meist können sie sich nur flüsternd mit ihren Angehörigen verständigen.

Junge Frau liegt erschöpft im bett und nutzt digitale medien

Diagnosestellung oft herausfordernd

Die Diagnose von ME/CFS ist oft schwierig. Es gibt bisher keine eindeutige Untersuchung oder Laborwerte, die die Erkrankung sicher nachweisen können. Hinzu kommt, dass viele Symptome denen anderer Krankheiten ähneln, etwa Depressionen, Schilddrüsenerkrankungen oder Multiple Sklerose. Außerdem sind viele Ärzte bislang wenig vertraut mit ME/CFS.

Häufig wird ein Ausschlussverfahren angewendet: Alle anderen Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden verursachen könnten, werden geprüft und ausgeschlossen. Die Diagnose ME/CFS wird gestellt, wenn keine andere Ursache (einschließlich Nebenwirkungen von Medikamenten) gefunden werden kann, die die Erschöpfung und die weiteren Symptome erklären würde.

Eine Übersicht über Diagnosekriterien inklusive der entscheidenden Symptome bietet die Grafik der Deutschen gesellschaft für ME/CFS International etabliert sind die sogenannten Kanadischen Konsenskriterien (CCC).

Behandlung

ME/CFS ist bisher nicht heilbar und es stehen derzeit keine Medikamente zur Behandlung zur Verfügung. Die Therapie zielt darauf ab, Symptome wie Schlafstörungen, Reizdarmbeschwerden oder Schmerzen zu lindern, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Einzelne Medikamente befinden sich in der Testphase, aber die Forschung ist nicht so weit fortgeschritten, um ihre Wirkung abschließend beurteilen zu können. 

Krankheitsmanagement durch Pacing

Eine etwa 30-jährige Frau sitzt auf ihrem Sofa und reibt mit beiden Händen Stirn und Schläfen.

Das zentrale Prinzip im Umgang mit ME/CFS-Symptomen ist das sogenannte Pacing. Dabei sollen Betroffene die eigene Energie bewusst einteilen, um Überlastungen sowie eine Zustandsverschlechterung durch PEM zu vermeiden. Das bedeutet:

  • Die körperliche und geistige Schonung steht im Mittelpunkt.
  • Aktivitäten werden in kleine Schritte aufgeteilt.
  • Pausen werden fest eingeplant – auch wenn sich der Betroffene im Augenblick nicht fit fühlt.

Je nach der persönlichen Situation kann es sinnvoll sein, Aktivitäten schrittweise und langsam zu steigern – meist unter ärztlicher Betreuung. 

Kognitive Verhaltenstherapie

Eine Psychotherapie kann helfen, mit seelischen Belastungen aufgrund der Erkrankung besser umzugehen. Dabei werden Strategien vermittelt, die im Umgang mit Beschwerden und Folgen helfen– wenn beispielsweise depressive Gedanken und Ängste auftreten.

Es ist völlig normal, dass Patienten unterschiedliche Erfahrungen machen, welche Behandlungsansätze, Therapien und Medikamente helfen und welche nicht.

Hilfe für Betroffene

Frauen, die sich auf dem Sofa sitzend die Hände halten und gegenseitig unterstützen

Angehörige und Freunde können ME/CFS- Betroffene unterstützen:

  • Hören Sie zu und nehmen Sie die Sorgen und Ängste ernst
    Spielen Sie die Beschwerden von Betroffenen nicht herunter. Oft sind ein offenes Ohr und das Anerkennen der Krankheit eine große Unterstützung.
  • Unterstützen Sie im Alltag
    Da Betroffene oft im Alltag eingeschränkt sind, kann es helfen, wenn Sie Einkäufe übernehmen und Mahlzeiten vorbereiten. Begleiten Sie, wenn möglich, den Betroffenen zu Arztterminen und unterstützen ihn bei Anträgen.
  • Haben Sie Respekt für Ruhezeiten
    ME/CFS-Patienten benötigen oft lange Pausen. Aussagen wie: „Komm, raff dich auf“ wirken eher verletzend als hilfreich.
  • In schweren Fällen ist die Beantragung von Pflegeleistungen sinnvoll, um so professionelle Unterstützung durch einen Pflegedienst zu erhalten oder die Pflegeperson zu entlasten.
  • Betroffene und ihre Angehörigen können außerdem Unterstützung durch Patientenorganisationen erhalten. Ein Beispiel ist 
    Fatigatio e.V. Der Verein stellt umfangreiche Informationen, regionale Selbsthilfegruppen und weitere Hilfsangebote für Menschen mit ME/CFS bereit.
  • Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat im Dezember 2024 einen Antrag beschlossen, der u. a. Spezialambulanzen, Weiterbildungen für Ärzte und eine Aufklärungskampagne vorsieht, um die Versorgungslage für Patienten im Bundesland zu verbessern.

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