Gesundheitswelt der AOK Sachsen-Anhalt

Essstörungen

sehr schlanke junge Frau vorm Spiegel

Im Zwiespalt mit dem Essen

Essstörungen gehören zu den häufigsten psychosomatischen Erkrankungen unserer Zeit – und die Zahl der Betroffenen nimmt weiter zu. Besonders Jugendliche und junge Erwachsene sind immer häufiger betroffen. Viele entwickeln ein verzerrtes Schönheitsideal, geprägt von dem Wunsch, extrem dünn und makellos zu sein. Verstärkt wird dieser Druck durch bearbeitete Bilder und unrealistische Körperdarstellungen in sozialen Medien. Doch Essstörungen betreffen längst nicht nur junge Menschen – sie ziehen sich durch alle Altersgruppen und Geschlechter. Wer darunter leidet, kämpft nicht nur mit dem Essen selbst, sondern oft auch mit tief sitzenden seelischen Konflikten.

In diesem Beitrag erklären wir, was genau unter Essstörungen zu verstehen ist, welche Ursachen dahinterstecken, welche Formen es gibt – und wo Betroffene sowie Angehörige Hilfe finden können.

Wussten Sie schon, dass…

  • ein Drittel der Mädchen im Jugendalter Anzeichen für eine Essstörung zeigen?
  • durch unseren Kinderarztvertrag besonderes Augenmerk auf Essstörungen bei Kindern gelegt wird?
  • wir bei medizinischer Notwendigkeit die Kosten für die Behandlung von Essstörungen übernehmen?

Was sind Essstörungen und wie 
entstehen sie?

Eine junge Frau steht vorm Spiegel und misst ihren taillenumfang mit einem maßband

Eine Essstörung entwickelt sich meist in der Pubertät oder im jungen Erwachsenenalter. Die meisten Betroffenen sind zwischen zwölf und 35 Jahre alt. Alarmierend ist, dass immer mehr jüngere Kinder ein gestörtes Essverhalten entwickeln. Die Ursachen für die Entstehung einer Essstörung sind dabei vielfältig:

Ein gestörtes Essverhalten ist eine seelische Erkrankung, bei der Betroffene die Kontrolle über ihr Essverhalten verlieren. 
Sie beschäftigen sich rund um die Uhr mit dem Thema Essen, ihrem Körpergewicht und ihrer Figur. Während sich die Symptome unterschiedlich äußern, etwa durch extremes Hungern, Heißhungerattacken oder Erbrechen, liegt allen Essstörungen ein tiefer innerer Konflikt zugrunde.

Ursachen

  • Individuelle Ursachen 

    Ein geringes Selbstwertgefühl, hoher Perfektionismus und Leistungsanspruch an sich selbst, ein hohes Kontrollbedürfnis aber auch traumatische Erlebnisse oder Essprobleme in der Kindheit sind charakteristische Auslöser.

  • Biologische Ursachen

    Genetische Veranlagung und das Zusammenspiel von verschiedenen Hormonen kann Essstörungen begünstigen.

  • Familiäre Ursachen

    Wenn selbst ein Elternteil an einer Essstörung oder psychischen Erkrankung leidet, kann das eine Störung im Essverhalten begünstigen. Aber auch das Fehlen eines Vorbildes oder einer Alltagsstruktur können Auslöser sein.

  • Soziokulturelle Ursachen 

    Schönheitsideale in Medien und Werbung führen zu einer extrem kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und fördern die Unzufriedenheit mit der eigenen Figur. Insbesondere in sozialen Netzwerken werden Themen wie Schönheit, Aussehen, Fitness und Körpergewicht ständig thematisiert. Mit stark bearbeiteten Fotos wird ein unrealistisches Ideal vermittelt, dem gerade viele junge Menschen nacheifern. Auch der permanente Vergleich unter Gleichaltrigen spielt eine Rolle bei der Entstehung.

Social Media und Essstörungen - Einfluss durch #skinnytok & Co.

Soziale Medien prägen das Körperbild junger Menschen – oft mit problematischen Folgen. Plattformen wie TikTok oder Instagram zeigen unzählige idealisierte Körper, Diättipps und „What I eat in a day“-Videos. Unter Hashtags wie #skinnytok oder #thinspo werden extrem schlanke Körper glorifiziert und essgestörtes Verhalten verharmlost. Besonders Jugendliche ohne gefestigtes Selbstbild sind anfällig dafür.

Die ständige Konfrontation mit solchen Inhalten kann zu Unzufriedenheit und gestörtem Essverhalten führen. Social-Media-Algorithmen verstärken das Problem, indem sie ähnliche Beiträge gezielt weiter ausspielen. Umso wichtiger ist es, Medienkompetenz zu fördern und junge Menschen zu einem kritischen Umgang mit Online-Inhalten zu befähigen.

Verschiedene Arten: Bulimie, Magersucht
Binge-Eating

Es gibt verschiedene Formen von Essstörungen, die allein, gemischt oder abwechselnd auftreten können. Dazu gehören:

  • Binge-Eating-Störung

    Sie ist die am häufigsten auftretende Essstörung und ist auch als Esssucht bekannt. Die Betroffenen leiden unter immer wiederkehrenden Essanfällen. Dabei verlieren sie die Kontrolle über ihr Essverhalten und nehmen erhebliche Kalorienmengen zu sich. Mit Hunger oder Genuss hat ein Essanfall nichts zu tun. Sie hören erst auf, wenn sich ein unangenehmes Völlegefühl oder Übelkeit einstellen. Charakteristisch ist, dass Betroffene nicht versuchen, die übermäßigen Kalorien durch Sport oder Erbrechen wieder loszuwerden. Menschen mit Binge-Eating-Störung leiden sehr unter ihren Essanfällen und versuchen sie geheim zu halten. Viele Betroffene haben starkes Übergewicht oder sind adipös, was langfristig Bluthochdruck, Diabetes und Gelenkprobleme zur Folge hat. Aber auch Menschen mit Normalgewicht können betroffen sein.

  • Bulimie

    Bulimie, auch bekannt als Ess-Brech-Sucht, ist gekennzeichnet durch Heißhungerattacken. Die Betroffenen haben unkontrollierte Essanfälle und nehmen dabei große Portionen an Essen zu sich. Anschließend versuchen sie, das Gegessene wieder loszuwerden – durch Erbrechen, exzessives Sporttreiben oder Medikamente mit abführender oder ausschwemmender Wirkung. Da das situationsbedingt nicht immer möglich ist oder ein Teil der Nahrung bereits in den Darm gelangt ist, fallen Betroffene meist nicht durch ein geringes Gewicht auf. Auf Dauer kann Bulimie schwerwiegende Folgen haben wie:

    • Stoffwechselschäden
    • Hormonschwankungen
    • Menstruationsstörungen
    • psychische und soziale Auswirkungen: selbstverletzendes Verhalten, sozialer Rückzug, Vernachlässigung eigener Interessen, starke Stimmungsschwankungen
    • Schädigung der Speiseröhre und des Magens
    • Nährstoffmangel, Störungen der Nierenfunktion und des Verdauungssystems
  • Magersucht

    Magersucht, in der Fachsprache Anorexia nervosa genannt, ist die seltenste Form von Essstörungen. Betroffene nehmen extrem wenig Nahrung zu sich. Zusätzlichen treiben einige exzessiv Sport. Schneller und großer Gewichtsverlust sind die Folgen. Die Körperwahrnehmung ist dabei stark gestört. Obwohl viele Betroffenen stark untergewichtig sind, empfinden sie sich als zu dick. Magersucht hat schwerwiegende Folgen für den Organismus. Betroffene haben Mangelerscheinungen und Kreislaufbeschwerden. Neben dem ungesunden Gewichtsverlust führt die Erkrankung zu Muskelschwund, Osteoporose und Haarausfall. In schweren Fällen werden die Organe, beispielsweise das Herz geschädigt, was sogar bis zum Tod führen kann.

  • Mischformen

    Von einer Mischform spricht man, wenn eine Person zwar charakteristische Symptome einer Essstörung aufweist, aber die Kriterien für die Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating-Störung nicht vollständig erfüllt sind und keine eindeutige Zuordnung zu einer Erkrankung möglich ist.

Essstörungen erkennen

Nicht jeder, der ab und zu mal beim Essen über die Stränge schlägt oder durch eine Diät viel Gewicht verloren hat, leidet unter einer Essstörung. Ist man von einer Essstörung betroffen, kreisen die Gedanken ständig nur um die Themen Essen und Gewicht. Oft beginnen die Symptome schleichend und wirken sich körperlich, seelisch und auf das Verhalten aus. Meist entwickelt sich eine Essstörung nach und nach. Beobachten Sie Anzeichen bei sich oder Anderen, ist es ratsam, sich Hilfe zu holen oder fachärztliches Personal aufzusuchen.

ca. 15-jähriges Mädchen isst missmutig ein Stück Melone

Zu den Warnzeichen gehören:

  • unkontrollierte Essanfälle
  • Ausreden, um nicht essen zu müssen
  • heimliches Essen
  • Erbrechen herbeiführen, um aufgenommene Kalorien wieder „loszuwerden“
  • große Angst vor Gewichtszunahme
  • ständige und zwanghafte Gewichtskontrolle
  • Rückzug aus dem sozialen Umfeld, vor allem bei gemeinsamen Mahlzeiten
  • Starke Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit oder depressive Verstimmungen
  • Körperliche Beschwerden wie Kreislaufprobleme, Haarausfall, Ausbleiben der Periode (bei Frauen) oder ständiges Frieren

Essstörungen bei Männern

In der öffentlichen Wahrnehmung gelten Essstörungen immer noch als „Frauenthema“. Doch auch Männer erkranken immer häufiger daran. Oft wird eine Essstörung bei Männern erst spät festgestellt. Die Symptome werden anders wahrgenommen und viele haben Probleme damit, sich psychische Probleme einzugestehen und Hilfe anzunehmen. Zudem sind Männer vor einer Erkrankung meist übergewichtig, weshalb die verringerte Nahrungsaufnahme und gesteigerte sportliche Aktivität zunächst als gesundheitsbewusst wahrgenommen wird. Die Betroffenen streben dabei weniger nach Schlankheit, sondern oft nach einem übermäßig muskulösen Körper mit einem möglichst geringen Fettanteil. Dennoch kommen auch „klassische“ Essstörungen wie Bulimie, Binge-Eating oder Anorexie bei Männern vor.

Diagnose und Behandlung

Junges Mädchen bei Therapiesitzung

Sich selbst eine Essstörung einzugestehen und daraufhin ärztliche Hilfe zu suchen, fällt den meisten Betroffenen sehr schwer. Ist der Schritt getan, stellen Psychotherapeuten nach einem persönlichen Gespräch und standardisierten Fragebögen eine gesicherte Diagnose. Bestätigt sich eine Essstörung, erfolgt eine gezielte Behandlung und Therapie.

Wichtigste Maßnahme zur Behandlung einer Essstörung ist die Psychotherapie. Sie kann ambulant oder stationär erfolgen. Sich auf die Therapie einzulassen, ist für viele Erkrankte nicht einfach, da sie ihre Angst vor Ablehnung, ihre Unsicherheit und ständige Kontrollsucht überwinden müssen.

 

Meist in  Einzelgesprächen erarbeiten Betroffene gemeinsam mit dem Therapeuten oder der Therapeutin alternative Bewältigungsstrategien für belastende emotionale Situationen. Vertrauen in sich selbst und die Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins rücken in den Vordergrund. Zusätzlich werden Gruppentherapien genutzt, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und gegenseitig zu motivieren. Darauf aufbauend hilft die Therapie Betroffenen, wieder ein normales Essverhalten zu entwickeln. Dabei vermitteln speziell geschulte Ernährungstherapeuten Wissen rund um gesunde Ernährung, Zusammenstellung von Mahlzeiten und Portionsgrößen. 

Ist eine Therapie erfolgreich beendet, ist es wichtig langfristig den Erfolg zu stabilisieren. Selbsthilfegruppen  können dabei helfen, denn viele fallen unter erneuter Belastung wieder in ihr altes Essverhalten zurück.

Unterstützung durch Angehörige

Gerade bei jungen Patienten ist es wichtig, Angehörige in die Therapie mit einzubinden. Nur so können sie den Heilungsprozess unterstützen und begleiten. Wir haben Ihnen Tipps zusammen getragen, wie Sie Freunde oder Familienmitglieder unterstützen können, wenn sie betroffen sind: 

  • Seien Sie für den Betroffenen da, wenn Sie gebraucht werden.
  • Motivieren Sie Betroffene dazu, sich Hilfe zu holen und unterstützen Sie bei der Suche nach Informationen.
  • Halten Sie Kontakt zu der betroffenen Person und sprechen Sie offen über das Thema, auch wenn dies oft vermieden wird.
  • Vermeiden Sie Vorwürfe, Drohungen oder Schuldzuweisungen.
  • Versuchen Sie auf Kontrolle und Druck zu verzichten, wenn Ihr Kind an einer Essstörung leidet.
  • Nehmen Sie auch kleine Erfolge wahr und würdigen Sie sie
  • Verleugnen Sie selbst nicht die Erkrankung, wenn Ihre Familienangehörigen beispielsweise Ihre Kinder betroffen sind. Es gibt viele, denen es auch so geht wie Ihnen.

Beratungsangebote

Teenager-Mädchen in einer Beratungssitzung

Eine Essstörung müssen Sie als Betroffener und als Angehöriger nicht allein durchstehen und bewältigen. Holen Sie sich professionelle Hilfe! 
 

  • Hier finden Sie Adressen von spezialisierten Beratungsstellen für Essstörungen in Deutschland. Die Datenbank wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesfachverband Essstörungen e.V. erstellt und wird ständig aktualisiert.
  • In Sachsen-Anhalt gibt es einige Selbsthilfegruppen für Menschen mit Essstörungen und Essproblemen.
  • Der Landesverband Sachsen‑Anhalt e. V. Angehörige psychisch erkrankter Menschen bietet Austausch, Beratung und Vernetzung für Angehörige. Mit regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen (z. B. Workshops) und kostenfreier Hotline

 

Gut zu wissen

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