Borderline-Störung

Ein älterer Mann leidet unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung

Leben im emotionalen Ausnahmezustand

Starke Gefühle, Impulsivität, der innere Halt fehlt – Borderline ist eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit einem schwerwiegenden psychiatrischen Krankheitsbild. Die extremen Stimmungs- und Gefühlsschwankungen, das Gefühl der Leere und instabile zwischenmenschliche Beziehungen sind ebenso charakteristisch. Sie bedeuten für Betroffene einen sehr starken Leidensdruck und eine dauerhaft hohe innere Anspannung. Ursachen beziehungsweise Auslöser sind bis heute nicht eindeutig bestimmt. Klar ist hingegen, dass die Mehrheit der Betroffenen in frühester Kindheit Missbrauchs- beziehungsweise Gewalterfahrungen erlebt hat und diese Auswirkungen auf bestimmte Reaktionsmechanismen im Gehirn haben können. In Deutschland sind circa drei Prozent, Männer wie Frauen gleichermaßen, von der Persönlichkeitsstörung betroffen.

Unser Beitrag bietet einen Einblick in das typische Verhalten von Betroffenen und zeigt auf, welche Auslöser vermutet werden. Wir erklären, wie Borderline-Diagnosen gestellt werden, welche Therapieansätze es gibt und an wen sich Betroffene sowie ihre Angehörigen mit ihren Sorgen und Ängsten wenden können.

Wussten Sie schon, dass...

  • der schnelle Wechsel zwischen extremen Gefühlslagen ein zentrales Merkmal einer Borderline-Störung ist?
  • sich mit einer geeigneten Therapie die Symptome deutlich verbessern können?
  • die AOK Sachsen-Anhalt einen Großteil der Kosten für rezeptpflichtige Medikamente übernimmt?

Was ist eine Borderline-Persönlichkeitsstörung?

Borderline ist eine schwere psychische Erkrankung und zählt zur Gruppe der Persönlichkeitsstörungen. Der Begriff „Borderline“ (engl. Grenzlinie) stammt aus der Zeit, als man davon ausging, dass die Störung eine Zwischenform von Psychose und Neurose sei. Das Krankheitsbild zeichnet sich durch typische Anzeichen aus. Dazu zählen:

Ein Pärchen streit aufgrund einer Borderline-Störung
  • extreme Stimmungsschwankungen
  • Angst vor dem Verlassenwerden
  • instabile Beziehungen
  • schwankendes, instabiles Selbstwertgefühl
  • Identitätsprobleme
  • instabiles Gefühlsleben
  • chronisches Gefühl von Leere
  • oft auch Selbstverletzung oder Suizidgedanken
  • Schwierigkeiten, Wut zu kontrollieren
  • vorübergehende dissoziative Symptome oder paranoide Vorstellungen

Die Symptome können zu erheblichen Problemen im Alltag führen und die Lebensqualität Betroffener stark einschränken.

Was sind mögliche Auslöser und Ursachen?

Die Ursachen der Persönlichkeitsstörung sind vielschichtig. Meist steckt ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren dahinter.

  • Biologische Faktoren

    Eine genetische Veranlagung kann der Störung zugrunde liegen. Auch Veränderungen im Gehirnstoffwechsel können Auslöser für die erhöhte emotionale Sensibilität sein.

  • Frühe Kindheitserfahrungen

    Traumatische Erlebnisse wie Vernachlässigung, Missbrauch oder emotionale Kälte gelten ebenfalls als Ursachen. Dazu zählen auch wechselnde Fürsorge und ein geringes Gefühl von Sicherheit.

  • Soziale Einflüsse

    Überforderung in belastenden Lebensphasen wie Schulzeit, Trennung oder Mobbing sowie fehlende Strategien im Umgang mit Stress oder Ablehnung können das Borderline-Syndrom auslösen.

Typisches Verhalten bei Borderline

Nicht jeder Betroffene zeigt akute Merkmale. Bestimmte Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster variieren stark im Zusammenhang mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Normen. Erste Anzeichen und typische Verhaltensmuster können sich aber bereits im Jugendalter zeigen.

  1. Auftreten starker Stimmungsschwankungen, oft ohne klare Auslöser.
  2. Betroffene denken in „Schwarz-Weiß“ und betrachten Lebensumstände entweder als sehr gut oder sehr schlecht.
  3. Erkrankte erleben extreme Verlustangst – auch schon bei kleinen Distanzen.
  4. Starke emotionale Verletzlichkeit: Kleine Auslöser können zu extremen Gefühlen führen.
  5. Um die empfundene innere Anspannung zu regulieren, tendieren Betroffene zu selbstschädigendem Verhalten. Dazu zählen risikoreiches Benehmen wie Drogenmissbrauch, Essanfälle, rücksichtsloses Fahren oder hohe Geldausgaben. Auch selbstschädigendes Verhalten wie Ritzen, Schneiden oder Verbrennen zählt zu den möglichen Anzeichen einer Persönlichkeitsstörung.
  6. Betroffene sind unsicher, was ihre (Lebens-)Ziele anbelangt. Sie wechseln häufig zwischen verschiedenen Rollen oder Lebensentwürfen.
  7. Bei Auftreten von Schwierigkeiten können sie Ärger nicht gut kontrollieren – auch bereits wegen kleinerer Kränkungen.
  8. Kurzzeitige paranoide Ideen oder Dissoziationen: Besonders in Stresssituationen erleben Menschen mit Borderline zum Beispiel optische oder akustische Halluzinationen.
Bei einem jungen Mann wird Borderline diagnostiziert

Wie wird eine Borderline-Störung diagnostiziert?

Die Diagnose erfolgt durch Psychotherapeutinnen und -therapeuten auf der Basis definierter diagnostischer Kriterien. Wichtig ist die Abgrenzung zu anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen, bipolaren Störungen oder ADHS. Die Diagnose erfordert eine umfassende Abklärung und wird niemals leichtfertig gestellt. Im Folgenden klären wir Sie über die wichtigsten Schritte der Borderline-Diagnose auf:

Anamnese

Es erfolgt eine ausführliche Erhebung der Lebens- und Krankheitsgeschichte, der Symptome und Belastungen.

Fragebögen und Testverfahren

Ein strukturiertes klinisches Interview zur Diagnose psychischer Störungen – das sogenannte SKID-II – und eine Borderline-Symptom-Checkliste helfen, die Anzeichen der Persönlichkeitsstörung einzuordnen.

Ausschluss anderer Störungen

Dazu erfolgt der Ausschluss einer bipolaren Störung, von Depressionen oder einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

Welche Therapie hilft bei Borderline?

Die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung erfolgt in der Regel im Rahmen einer Psychotherapie, individuell angepasst an die Bedürfnisse der Betroffenen. Ziel ist es, impulsives Verhalten zu verringern, emotionale Stabilität zu fördern und die Lebensqualität zu verbessern. Dabei stehen verschiedene wissenschaftlich fundierte Therapieformen zur Verfügung.

  • Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT)

    Diese Methode wurde speziell für Menschen mit Borderline entwickelt und erweitert die klassische Verhaltenstherapie. Sie unterstützt dabei, Veränderungen aktiv anzugehen und gleichzeitig die eigene Erkrankung anzunehmen. DBT vermittelt konkrete Strategien zur:

    • Reduktion von selbstschädigendem Verhalten
    • Verbesserung der Emotionsregulation
    • Förderung zwischenmenschlicher Fähigkeiten
    • Entwicklung eines stabilen Selbstbildes
    • Steigerung der Lebensqualität
  • Schematherapie

    Die Schematherapie setzt bei tief verankerten Denkmustern aus der Kindheit an – sogenannten Schemata – die mit starken negativen Emotionen verbunden sind. Ziel ist es, diese Muster zu erkennen, neu zu bewerten und durch gesündere Denk- und Verhaltensweisen zu ersetzen.

  • Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)

    MBT fördert das Verstehen eigener und fremder Gefühle und soll die Selbstregulation durch besseres Verstehen der eigenen emotionalen Reaktionen stärken. Es hilft der Aufarbeitung von Beziehungsmustern und Traumata und verbessert langfristig zwischenmenschliche Beziehungen. 

  • Medikamentöse Behandlung

    Eine spezifische Borderline-Medikation gibt es nicht. Dennoch können Medikamente unterstützend eingesetzt werden – zum Beispiel:

    • Antidepressiva bei depressiven Verstimmungen
    • Stimmungsstabilisierer bei starken Gefühlsschwankungen
    • Atypische Neuroleptika bei erhöhter Impulsivität oder Wahrnehmungsstörungen

    Die medikamentöse Behandlung erfolgt stets in enger Absprache mit Fachärztinnen oder Fachärzten und ersetzt keine Psychotherapie – sie kann aber hilfreich sein, um bestimmte Symptome zu lindern.

Eine Frau mit Borderline-Störung wendet sich an eine Anlaufstelle

Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige

Schätzungen zufolge leben in Sachsen-Anhalt etwa 15.000 bis 58.000 Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die tatsächliche Zahl könnte noch höher sein, da nicht alle Betroffenen eine Diagnose erhalten. Laut Studien sind etwa 0,7 bis 2,7 Prozent der Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt betroffen – Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer.

Erste Anlaufstellen für Betroffene sind in der Regel der Hausarzt und der Psychotherapeut, psychiatrische Ambulanzen oder DBT-zertifizierte Therapeuten. Im Notfall wenden sich Betroffene an die 112 oder die psychiatrische Notaufnahme.

Auch für Angehörige kann Hilfe notwendig werden. Sie können sich über psychosoziale Zentren oder Familienberatungsstellen beraten lassen. Zusätzlich gibt es spezielle Angehörigengruppen bei Pro Familia, der Caritas oder in Selbsthilfegruppen. Online-Portale wie die Borderline-Plattform oder der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK) e. V. können ebenfalls eine Stütze für Angehörige sein.

Gut zu wissen

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